Während ich diesen Blog schreibe herrscht vor dem Fenster nasses, kaltes, fürchterlichstes Februarwetter. „Das passt ja zu einem Besuch in Oradour, dieses Wetter!“ sagt ein Mitfreiwilliger zu mir. Das Centre de la Mémoire dagegen kriecht allmählich aus dem Winterschlaf.

Von Mitte Dezember bis Ende Januar schließen wir für Besucher_innen. Doch nun, mit Beginn des neuen Schulhalbjahres kommt hier einiges ins Rollen; neue Pläne werden geschmiedet. Das begann mit einem Seminar für Lehrer_innen in Kooperation mit dem Mémorial de la Shoah, Paris, bei dem zahlreiche Vorträge, etwa über das jüdische Leben in Frankreich vor dem Zweiten Weltkrieg, den zeitlichen Verlauf der Shoah in unbesetzten Teil Frankreichs und die Rolle von Zeitzeugen gehalten werden.

Man könnte meinen, nach einem halben Jahr werde mir die Thematik doch langsam zu viel; immer wieder höre ich: „Wie hältst du es nur aus, jeden Tag nach Oradour zu fahren?!“ Tatsache ist, dass ich in immer wissbegieriger werde, je mehr ich lerne, da sich plötzlich viel mehr Fragen für mich stellen. Beispielsweise begleitete ich einen Historiker des Mémorial de la Shoah durch das Ruinendorf, der sich fast ausschließlich für die Geschichte von Menschen jüdischen Glaubens in Oradour interessierte. Immer wieder regen mich solche Gespräche und Begegnungen dazu an weiterzulesen, noch einmal zu recherchieren. „Fertig mit Oradour“ bin ich noch lange nicht.

Seit den letzten Wochen bringe ich mich mehr und mehr in den Service Educatif (die Pädagogische Abteilung) ein. Das Centre de la Mémoire bietet verschiedene „Ateliers“, also Workshops für Schulklassen an. In letzter Zeit sind wir nicht nur dabei, neue Ateliers vorzubereiten (wie erst kürzlich über die Szenographie und die Architektur des Centre), wir überarbeiten auch die schon bestehenden Ateliers.

Meine Arbeit ist dabei, Flyer und andere Dokumente für die Öffentlichkeitsarbeit des Service Educatif zu entwerfen. Außerdem helfe ich selbstverständlich bei der Durchführung der Ateliers, stelle etwa die verschiedenen Familienarchive vor und stehe bei der Gruppenarbeit zu Seite.

Inzwischen habe ich das erste von mir ins Leben gerufene Projekt genehmigt bekommen – die Verbesserung der deutschen Übersetzungen in der Dauerausstellung, die leider noch zahlreiche Fehler aufweisen. Meine vorbereiteten neuen Übersetzungen müssen nun noch einmal durchgesehen werden und ich bin optimistisch, dass das Projekt in den nächsten Monaten in die Tat umgesetzt wird.

Und was passiert jenseits des Endwinterregens im Limousin? – Da waren erstmal wunderschöne, wenn auch schneefreie Weihnachten in Izieu, in den französischen Voralpen, ein sehr sonniger Start ins neue Jahr und das obligatorische Mittelmeerneujahrsbaden in Nizza, unser Zwischenseminar in Paris und mittelgroßes Umzugschaos (mit der luxuriösesten Freiwilligenwohnung überhaupt als Ergebnis).

Da waren aber auch die Anschläge auf Charlie Hebdo und einen koscheren Supermarkt im Januar. Sie haben in ganz Frankreich für viel Unsicherheit gesorgt. Ich kann euch sehr ans Herz legen, zu lesen, was meine Mitfreiwilligen in Paris, Verdun, Ulm und Wambrechies über die Tage nach den Anschlägen schreiben.

Lebenszeichen von Freiwilligen

Unsere Erlebnisse sind nämlich ganz und gar nicht einheitlich; auch ich merke wie sich die Meinungen hier über die Geschehenisse und vor allem was danach kommen soll, spalten. Gleich vorweg: in Oradour gibt es kein „vigipirate“ (verstärkte Sicherheitsmaßnahmen, wie etwa die Präsenz von Militär). Unsicherheit empfinde ich darüber, was in den nächsten Monaten wohl kommen mag; ob bei den Reaktionen aus der Bevölkerung wie auch bei Maßnahmen der Regierung Hysterie oder die Rufe zur Besonnenheit vorwiegend werden.

Ein kurzer Ausblick auf die nächste Zeit: meine Arbeit im CMO wird sicher in den kommenden Wochen den Ateliers gewidmet sein, wir sind dabei Zeitzeug_innen um Treffen zu bitten und ich werde in den nächsten Wochen meine ersten Führungen auf deutsch geben.

Daneben ist der Freiwilligendienst natürlich eine großartige Zeit um die Welt kennenzulernen – so geht es für mich in wenigen Wochen nach Israel.

Viele Grüße aus dem Land des Winterregens und der tausend Kühe, à bientôt,

Ida

Und noch ein P.S.: ich schreibe auch regelmäßiger über meine Arbeit im Centre, erfüllte Reiseabenteuer und Kuriositäten meines Freiwilligenalltags auf